Am 5. Juni startet ich mit dem Fahrrad meine Reise. Aufgrund des Wetters entschied ich mich kurzerhand in Chur nicht ins Engadin sondern direkt Disentis anzupeilen. Am Dienstagabend kam ich dort unter strömendem Regen munter an und freute mich auf das wärmende Thermalbad, welches geschlossen war. Die erste kleine Krise trat ein. Mit Vorfreude auf die guten Wasserstände überwand ich diese jedoch und verbrachte eine romantische Nacht im Zelt.
Am folgenden Morgen paddelte ich unterhalb der Rheinquelle mit meinem Wildwasserkanu – erneut bei Regenwetter – los. Meine Motivation wurde gestärkt dank zwei guten Paddelfreunden, die mich bis nach Reichenau begleiteten. In Reichenau trennten sich unsere Wege. Der Hinterrhein brachte so viel Wasser und dadurch Baumstämme und andere Störmaterialen mit sich, so dass ich mir kurz überlegte überhaupt weiter zu paddeln. Bei höchster Aufmerksamkeit, Konzentration und einer Prise Mut überpaddelte ich meine Zweifel. Bei der Rheinmündung in den Bodensee wurde ich mental erneut gefordert, weil ich Probleme aufgrund der grossen Wellen und dem hartnäckigen Gegenwind hatte. Was, wenn es die ganze Zeit so mühselig weitergeht, fragte ich mich. Im Seekajak kam ich mir vor wie ein Zahnstocher im Hochwasser.
Trotzdem paddelte ich am gleichen Tag bis zum Rheinspitz. Der Gedanke an ein warmes Essen mit meinem Vater motivierte mich. Komplett übermüdet schlief ich danach im Segelschiff meines Vaters. Gestärkt ging meine Reise weiter über den Obersee. Ab Donnerstag beruhigten sich die Wasserbedingungen, und auch das Wetter verbesserte sich. In Romanshorn brachte mir ein Freund Essen und ich gewann neue Motivation dank der Gesellschaft.
Nach Romanhorn lernte ich auf dem Wasser einen älteren Herrn kennen, mit welchem ich bis nach Kreuzlingen paddelte. Bei seinen Erzählungen über seine Paddelabenteuer vergass ich die Zeit und bemerkte die körperliche Anstrengung kaum. Ich war sehr zufrieden, als ich von Konstanz in den Untersee paddelte. Im Untersee kam es mir allerdings vor, als ob ich aufwärts paddelte, da es keine Strömung gab. Mir half die schöne Umgebung, an der es unterwegs viel zu entdecken gab: Kinder, die am Ufer spielten und mir freudig winkten. Am Ende des Sees genoss ich den wunderbaren Sonnenuntergang auf dem Wasser und den aufkommenden vollen Mond. Wieder im Rhein angekommen suchte ich am Uferrand einen Platz um zu schlafen. Glücklich über die wärmeren Temperaturen und meine bisherige Reise, schlief ich im millionenfachen Sternenhotel unter freiem Himmel. Früh morgens wachte ich voller Energie auf mit dem Ziel Basel zu erreichen. Ich paddelte bis ans Wehr vor dem Rheinfall. Mühsam umtrug ich mein vollgeladenes Seekajak bis unterhalb des Rheinfalls. Vor dem Wiedereinstieg in den Rhein traf ich eine lustige Gruppe von Jugendlichen, die grosses Interesse an meinem Projekt zeigten, da sie selbst auf einer Abenteuerreise mit den Kanus unterwegs waren.
Mit vollem Elan paddelte ich Basel entgegen, meiner letzten Station auf Schweizer Boden. Nach gefühlten unzähligen Wasserkraftwerken, die mir aufgrund des Umtragens viel Zeit raubten, kam ich nachts in Basel an. Schön und motivierend waren die vielen aufgestellten Menschen am Uferrand vor Basel und ein grosses Festival, welches ich zur Abwechslung kurz besuchte. Lustige Begegnungen mit Leuten, die ich kannte, freuten mich. Angetrunken paddelte ich in die Dunkelheit und meine seelischen Abgründe;-) Nach etwa sechs bis sieben Kilometern fand ich halbblind doch noch einen Schlafplatz. Auf dem Weg nach Strasbourg traf ich zwei Jungs auf Luftmatratzen. Im Gespräch mit ihnen, stellte ich einmal mehr fest, wie klein doch die Welt ist, da sie einen Kollegen von mir kannten. Vor Strasbourg lernte ich einen erfahrenen Seemann kennen, der sein eigenes Boot gebaut hatte. Bei einem spendierten Kaffee auf seinem aussergewöhnlichen Segelschiff und interessanten Gesprächen mit ihm erholte ich mich von meiner Aufregung über die mühsamen Wasserkraftwerke davor. Müde schlief ich unter Sternenhimmel ein.
Mein nächstes Ziel, Frankfurt, erreichte ich am kommenden Tag nicht, weil ich mich körperlich und mental nicht fit fühlte. Ich verlor viel Zeit und Motivation beim Umtragen der Wehrs. Ich paddelte bis Worms. Die Nacht nutzte ich, um mich körperlich und mental zu erholen und neue Energie zu tanken. Früh morgens ging es weiter durch Frankfurt, Koblenz bis kurz vor Bonn. Im Wissen, dass mir ab Köln weder Wasserwerke noch Schleusen den Weg erschwerten und der Vorfreude auf einen leckeren Haxen in Köln, fiel mir das Paddeln wieder leicht.
Körperlich und mental fühlte ich mich stark. In Köln angekommen, versteckte ich mein Kajak und machte einen kurzen Run durch Köln mit seinen Sehenswürdigkeiten. Danach hatte ich eine tolle Strömung bis ins Meer an die holländische Grenze. Ich paddelte durch die Waal bei Sicht auf den gigantischen Schiffsverkehr, der dort herrschte. Dank dem GPS blieb ich auf meiner Route und wünschte mir mehr Zeit zu haben, da es viele schöne Örtchen zum Entdecken gegeben hätte. Überglücklich in Rotterdam angekommen, gönnte ich mir im Hotel „New York“ einen fetten Burger mit einem kühlen Bier. Ich hatte mein Ziel erreicht!
…Und obwohl ich den Weltrekord nicht geknackt habe, blicke ich zurück auf eine unvergessliche Reise, welche mir extrem viel Erfahrung geschenkt hat: Wenn man alleine unterwegs ist, ergeben sich viele interessante und bereichernde Begegnungen. Ich weiss nun, dass es Blasen auf Blasen gibt! Es ist möglich, über eigene Grenzen zu gehen. Paddelt man stundenlang vor sich hin, spielen einem die Gedanken manchmal Streiche, die Kreativität setzt ein und es entstehen Ideen für neue Projekte…